Vorschläge des GKV-Spitzenverbandes gehen an Realität der Versorgungssituation in Deutschland vorbei

Pläne zur Reglementierung der Psychotherapie greifen zu kurz: Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen macht eine Reihe von Vorschlägen, wie die Begrenzung von Kassenpraxen oder der psychotherapeutischen Ausbildung und deren Finanzierung sowie für eine externe Steuerung der Psychotherapie, bei der weder die Versorgungsrealität noch die nachgewiesene Wirksamkeit von Psychotherapie Berücksichtigung finden. Zahlreiche Psychotherapie-Verbände weisen in diesem Zusammenhang darauf hin, dass eine effiziente Steuerung bereits jetzt im Rahmen der Psychotherapeutischen Sprechstunde stattfindet!
Die jetzt vom GKV-Spitzenverband veröffentlichten Forderungen zur Meldepflicht freier Therapieplätze
an die Terminservicestelle zur Verbesserung der psychotherapeutischen Versorgung sowie weitere Vorschläge sollen das Problem der langen Wartezeiten und den grundsätzlichen Mangel an Therapieplätzen in Deutschland lösen.
Aus Sicht der Psychotherapie-Verbände in Deutschland ist vor dem Hintergrund der Ressourcenknappheit im Gesundheitswesen eine effiziente Steuerung der psychotherapeutischen Versorgung im Sinne einer bestmöglichen Patient:innenversorgung unumgänglich. Bestehende Versorgungslücken müssen geschlossen und vorhandene personelle und finanzielle Ressourcen und Mittel sinnvoll eingesetzt und verteilt werden. Aber: Dafür braucht es vor allem die Orientierung an aktuellen Zahlen und Augenmaß.
Die Verbände weisen in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die „Psychotherapeutische Sprechstunde“ (2017 eingeführt) bereits ein effizientes Steuerungsinstrument ist, mit dem Bedarfe und Indikationen ermittelt und Versorgungsoptionen für rat- und therapiesuchende gesetzlich Versicherte eröffnet werden. Psychotherapeut:innen (ärztliche und Psychologische Psychotherapeut:innen sowie Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut:innen) sind zudem hervorragend qualifiziert, um Diagnostik, Indikationsstellung und die psychotherapeutische Behandlung durchzuführen.
Gleichzeitig braucht es den demographischen Blick. Die psychotherapeutische Versorgung weist in einigen Regionen, wie in strukturschwachen Regionen und dem Ruhrgebiet, große Lücken auf. Dies belegen Wartezeiten-Studien. Hier kann auch eine bereits stattfindende Information zu freien Therapieplätzen das Problem nicht lösen. Hier sowie in vielen weiteren Bereichen besteht ein dringender an der aktuellen Versorgungssituation ausgerichteten Steuerungsbedarf. Eine weitere Verknappung der Kassenpraxen kann das nicht sein.
Die Forderung des GKV-Spitzenverbandes nach einer Begrenzung bei den Aus- und Weiterbildungskapazitäten im Bereich der ambulanten Psychotherapie mit der Begründung eines grundsätzlichen Anstiegs der Anzahl der Psychotherapeut:innen greift zu kurz und gibt die Realität nicht wieder, da viele Kolleg:innen mittlerweile auf halben Kassensitzen arbeiten. Auch die Altersstruktur der Berufsgruppe – es werden in den nächsten 10 Jahren viele ältere Psychotherapeut:innen in den Ruhestand gehen – bleibt unberücksichtigt. Die Studienlage ist hier eindeutig und eine Senkung von Psychotherapiekosten über die Reduzierung der Zahl an Vertragspsychotherapeut:innen, wie vom GKV-Spitzenverband gefordert, ist kurzsichtig. Eine Begrenzung der Zulassungen ist bereits in der Bedarfsplanungs-Richtlinie geregelt. Hier besteht tatsächlich dringender Reformbedarf, da vielerorts eine rechnerische Überversorgung bei faktischer Unterversorgung und gleichzeitig langen Wartezeiten besteht.
Auch die GKV-Einschätzung, es bestehe im Gegensatz zur hausärztlichen Versorgung im Bereich der psychotherapeutischen Versorgung keine Notwendigkeit zur Finanzierung der Weiterbildung, ist nicht zielführend, will man Versorgungslücken aufgrund von Fachkräftemangel in der Zukunft vermeiden. Seit langem ist bekannt, dass die psychotherapeutische Weiterbildung aufgrund fehlender Finanzierungskonzepte in Gefahr ist. Es braucht auch in Zukunft eine ausreichende Anzahl an Fachpsychotherapeut:innen, die in verschiedenen Therapieverfahren ausgebildet sind, um Patient:innen mit unterschiedlichen Bedarfen bestmöglich zu versorgen.
Es ist mittlerweile gut belegt, dass nur ein Bruchteil an Betroffenen eine adäquate Behandlung erhält und auch in Zeiten der Entstigmatisierung psychischer Erkrankungen die Versorgung im Vergleich zu früheren Jahren nur leicht angestiegen ist, ohne den tatsächlichen Bedarf zu decken. Dabei belegen Studien, dass Beitragsgelder, die in Psychotherapie investiert werden, mit dem Faktor 3:5 amortisieren. Auch dies stellt einen Steuerungserfolg dar!
Last but not least schlägt der GKV-Spitzenverband vor, Psychotherapeut:innen zukünftig schlechter zu bezahlen. Wie damit die Versorgungssituation verbessert werden soll, bleibt fraglich. Tatsache ist: Psychotherapeut:innen werden jetzt schon im Vergleich zu anderen Arztgruppen unterdurchschnittlich bezahlt und dies, obwohl die Wirksamkeit der „sprechenden Medizin“ für die Patient:innen wissenschaftlich belegt ist.
Wir als psychotherapeutische Verbände setzen uns für eine gute Versorgung von psychisch kranken Menschen ein und sind uns unserer Verantwortung im individuellen Prozess sowie im gesellschaftlichen Kontext bewusst. Es liegen bereits konkrete und sinnvolle Vorschläge vor, wie psychotherapeutische Versorgung effizient gestaltet werden kann. Den Zugang zum Beruf zu erschweren und die psychotherapeutischen Leistungen insgesamt künstlich zu verknappen, gehören nicht dazu!
Beteiligte Psychotherapieverbände:
- bkj: Bundesverband für Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapie e.V.
- DGAP: Deutsche Gesellschaft für Analytische Psychologie e.V.
- DGPT: Deutsche Gesellschaft für Psychoanalyse, Psychotherapie, Psychosomatik und Tiefenpsychologie e.V.
- DPGG: Deutsche Psychologische Gesellschaft für Gesprächspsychotherapie e.V.
- DGVT-BV: Deutsche Gesellschaft für Verhaltenstherapie - Berufsverband Psychosoziale Berufe (DGVT-BV) e.V.
- VPP im BDP: Verband Psychologischer Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten im BDP e.V.