Stellungnahme der DGPT zum Referentenentwurf des Bundesministeriums für Gesundheit für ein Gesetz zur Stärkung der nationalen Suizidprävention (SuizidPrävG)
Die DGPT begrüßt grundsätzlich das Vorhaben, dem Deutschen Bundestag ein Gesetz zur Suizidprävention vorzulegen, das viele Punkte aus der bereits vorgelegten und gut fundierten nationalen Suizidpräventionsstrategie aufgreift. Die Zielsetzung, bestehende Hilfsangebote zu stärken und besser zu vernetzen, unterstützen wir ausdrücklich. Gleichwohl betrachten wir den Zeitpunkt und die sehr kurzfristige Durchführung des Beteiligungsverfahrens kritisch, da eine umfassende Einbindung der Expertise von Fachgesellschaften und Verbänden so kaum möglich ist. Wir regen dringend an, den Gesetzgebungsprozess in der nächsten Legislatur mit ausreichend Vorlauf und umfassender Einbindung von Expert:innen und Fachgesellschaften fraktionsübergreifend neu anzugehen. Dennoch möchten wir im Folgenden auf einige im Referentenentwurf vorgesehene Regelungen kursorisch näher eingehen.
Die im Gesetzentwurf vorgesehene Unterscheidung zwischen Sterbewilligen und Personen mit Suizidgedanken betrachten wir in diesem Zusammenhang als problematisch. Gegenstand des SuizidPrävG sollte aus unserer Sicht allein die Suizidprävention sein, die alle Menschen in suizidalen Krisen adressieren muss.
Die im § 5 vorgesehenen Verpflichtungen sind unscharf formuliert und hinsichtlich der großen Heterogenität der dort aufgeführten Berufsgruppen kaum zielführend. Handlungspflichten bestehen insbesondere für Ärzt:innen und Psychotherapeut:innen auch bisher schon. Insbesondere in Psychotherapien spielen suizidale Krisen regelhaft eine Rolle und werden innerhalb der Therapie nachhaltig behandelt. Dabei ist die therapeutische Beziehung ein essenzieller suizidpräventiver Wirkmechanismus. Eine Verpflichtung zum Weiterverweis auf andere Unterstützungsangebote ist insoweit im Suizidpräventionsgesetz nicht erforderlich, als sich diese bei entsprechender Indikation auch heute schon aus den sozial- und berufsrechtlichen Vorgaben ergibt.
Die Stärkung und der Ausbau von Netzwerkstrukturen in der Suizidprävention sind zu begrüßen. Im Gesetzentwurf zu kurz kommt dabei die notwendige Koordination solcher Netzwerke, die in vielen Fällen auf kommunaler und Landesebene erfolgen muss, sowie deren dauerhafte, auskömmliche Finanzierung. Existierende Strukturen sollten hierbei genutzt und ausgebaut werden, wobei die interdisziplinäre Zusammenarbeit essenziell ist. Besonders hervorheben möchten wir an dieser Stelle die Wichtigkeit von Fortbildung und Supervision für alle beteiligten Berufsgruppen. Diese zählt zur psychotherapeutischen Kernkompetenz.
Die vorgesehene Errichtung einer Koordinationsstelle entspricht den Forderungen der nationalen Suizidpräventionsstrategie und ist auch aus unserer Sicht begrüßenswert. Die konkrete Ausgestaltung im Gesetzentwurf bleibt jedoch hinsichtlich der Aufgaben und Ziele einer solchen Koordinationsstelle unfokussiert. Unklar ist, wie vorhandene Strukturen innerhalb der Koordinationsstelle eingebunden werden sollen. Die Übernahme von Forschungsaufgaben passt unseres Erachtens nicht zur Rolle einer Koordinationsstelle, hier drohen ineffiziente Doppelstrukturen zu entstehen. Die Förderung von Forschungsvorhaben zur Suizidprävention ist dabei unbedingt auszubauen, diese sollten jedoch nicht innerhalb der Koordinationsstelle angesiedelt sein.
Der vorgesehene Aufbau einer bundesweit erreichbaren Rufnummer für Menschen mit Suizidgedanken, aber auch Angehörige und professionelle Bezugspersonen, ist ein wichtiger Schritt zur Verbesserung des niedrigschwelligen Zugangs zu Unterstützungsmöglichkeiten. Unerlässlich ist hier jedoch gut qualifiziertes Personal, das in der Akutsituation auch selbst telefonische Krisenintervention leisten und Menschen in suizidalen Krisen sofort unterstützen kann, denn jegliche Gesprächsunterbrechung durch Weiterleitungen kann im Zweifelsfall zu einem Gesprächsabbruch führen und gefährdet damit potenziell Menschen in suizidalen Krisen.
Unklar bleibt auch die Zusammensetzung und die Aufgabenstellung des Fachbeirats. Bei der Zusammensetzung ist unbedingt auf die Einbindung psychiatrischer und psychotherapeutischer Kompetenzen zu achten. Psychische Störungen wie Depressionen, aber auch psychische Krisen stellen die Hauptursache für Suizide da. Psychotherapeut:innen sind Expert:innen für die Behandlung suizidaler Menschen, aber auch für die Behandlung von Angehörigen und indirekt Betroffenen sowie für die Supervision von Fachpersonal. Eine Begrenzung der Tätigkeitsdauer des Fachbeirats auf zehn Jahre ist im Hinblick auf die Entwicklung nachhaltiger und dauerhafter Strukturen nicht zielführend.
Die in § 20 Abs. 3 SGB V vorgesehene Aufnahme der Suizidprävention in den Katalog der Präventionsleistungen der Krankenkassen begrüßen wir ausdrücklich, ebenso auch die in § 64f SGB V vorgesehenen Modellvorhaben. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass ein großer Teil der Modellvorhaben nicht in die Regelversorgung aufgenommen wird. Effektive Suizidprävention erfordert dauerhafte und auskömmlich finanzierte Strukturen, die wohnortnah und niedrigschwellig verfügbar sind. Die Modellvorhaben können insbesondere für einen verbesserten Übergang zwischen stationärer und ambulanter psychotherapeutischer Versorgung eine zentrale Rolle spielen. Hier ist ein Ausbau der Versorgungsstrukturen jedoch unabdingbar, um die derzeitigen, für Menschen in Krisensituationen unzumutbaren Wartezeiten zu reduzieren.