Stellungnahme der Bundearbeitsgemeinschaft der psychotherapeutischen Aus- und Weiterbildungsverbände (BAG) zum Änderungsantrag zum Gesetzentwurf für ein Gesetz zur Befugniserweiterung und Entbürokratisierung der Pflege
Im Folgenden teilen wir eine Stellungnahme der BAG:
Stellungnahme der Bundesarbeitsgemeinschaft der psychotherapeutischen Aus- und Weiterbildungsverbände (BAG) zu Änderungsantrag Nr. 10 der Fraktionen CDU, CSU und SPD zum Gesetzentwurf der Bundesregierung für ein Gesetz zur Befugniserweiterung und Entbürokratisierung in der Pflege (Drucksache 21/1511)
Einleitung
Die psychotherapeutischen Ausbildungsinstitute, vertreten durch die BAG, bilden gegenwärtig alle Psychologischen Psychotherapeut*innen (PP) und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut*innen (KJP) in der Bundesrepublik aus. Durch die Reform des Psychotherapeutengesetzes werden Ambulanzen an Ausbildungsstätten in Weiterbildungsambulanzen an Weiterbildungsstätten bzw. Weiterbildungsinstituten übergeleitet. Zukünftig werden in den Weiterbildungsambulanzen die - nach dem PsychThG in der Fassung vom 15.11.2019 direkt nach dem Studium approbierten - Psychotherapeut*innen in Anstellung zur*zum Fachpsychotherapeut*in weitergebildet.
Die BAG nimmt Stellung zum vorliegenden Gesetzesentwurf, da durch Änderungsantrag Nr. 10 der Fraktionen von CDU, CSU und SPD wichtige Regelungen zur Finanzierung der Weiterbildung für Psychotherapeut*innen an Weiterbildungsambulanzen per Omnibusverfahren in das Gesetz zur Befugniserweiterung und Entbürokratisierung in der Pflege aufgenommen werden sollen. Die entsprechenden Regelungsvorschläge wurden in leicht modifizierter Fassung aus dem Kabinettsentwurf zum Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz (GVSG) von 2024 der Vorgängerregierung übernommen. Wir verweisen in diesem Zusammenhang auch auf unsere Stellungnahme zum damals geplanten GVSG vom 24.10.24. Mit den aus dem Kabinettsentwurf zum GVSG übernommenen Regelungen beabsichtigt die Bundesregierung offensichtlich, ihrem Auftrag aus dem Koalitionsvertrag nachzukommen, die Finanzierung der Weiterbildung in der Psychotherapie zu sichern. Allerdings muss angemerkt werden, dass dies nur für die ambulante Weiterbildung an Weiterbildungsambulanzen gilt, nicht aber für die ambulante Weiterbildung in Praxen und Medizinischen Versorgungszentren (MVZ); ebenfalls nicht für den stationären und den institutionellen Teil der Weiterbildung.
Die Einschätzung der BAG
Die BAG begrüßt zunächst ausdrücklich, dass sich die Bundesregierung mit den vorliegenden Regelungsvorschlägen nunmehr dem bekannten und sich zunehmend verschärfenden Miss-stand der Unterfinanzierung der Weiterbildung zur*zum Fachpsychotherapeut*in annehmen will. Dies zeigt, dass die Bundesregierung die psychotherapeutische Versorgung der Bevölkerung auch langfristig sicherstellen möchte.
Der Änderungsantrag der Regierungsfraktionen besteht aus zwei Teilen, einem ersten Teil zu Artikel 3 Nummer 21a (§ 117 SGB V) und einem zweiten Teil zu Artikel 3 Nummer 22a (§ 120 SGB V). Der erste Teil hat eine Trennung der finanziellen Regelungen von Aus- und Weiterbildung zum Gegenstand. Auch die sogenannte 40/60%-Regelung soll nicht mehr für Aus- und Weiterbildung gelten, sondern nur noch für die Ausbildung, so dass die Ausbildungsteilnehmer*innen mindestens 40% des Vergütungsanteils der Krankenkasse für eine erbrachte Leistung erhalten. Damit werden entsprechende Regelungen für die Weiterbildung aus § 117 SGB V ausgegliedert. Die BAG hält diesen Vorschlag für sachgerecht, da es sich hier um zwei grundsätzlich verschiedene Systeme handelt – postgraduale Ausbildung einerseits und Weiterbildung im Angestelltenverhältnis andererseits sind sachlogisch unterschiedlich zu behandeln.
Die vorgeschlagenen Regelungen im zweiten Teil des Änderungsantrags sehen eine Eingliederung der finanziellen Regelungen für die Weiterbildung der Psychotherapeut*innen in § 120 SGB V vor, in dem u. a. auch schon die Vergütung der Hochschulambulanzen und der psychiatrischen Institutsambulanzen geregelt ist. Die BAG begrüßt, dass die Weiterbildungsambulanzen damit als eigenständige Rechtssubjekte definiert werden, so dass es eine gesetzliche Grundlage dafür gibt, mit den Landesverbänden der Krankenkassen und Ersatzkassen Vereinbarungen zu ihrer Vergütung zu treffen. Für die Vergütung der Weiterbildungsambulanzen gibt der Änderungsantrag zugleich die folgende einschränkende Maßgabe, die fast wortgleich auch im Kabinettsentwurf zum GVSG zu finden war:
„Bei der Vereinbarung der Vergütung der ambulanten psychotherapeutischen Behandlung in den Weiterbildungsambulanzen hat eine Abstimmung mit Entgelten für vergleichbare Leistungen zu erfolgen. Für die Beurteilung einer wirtschaftlichen Betriebsführung der Weiterbildungsambulanzen sind nur die Leistungen berücksichtigungsfähig, für die der Zulassungsausschuss eine Ermächtigung erteilt hat und die gegenüber Versicherten erbracht werden.“
In der Begründung wird dies noch weiter zugespitzt: „Für andere Aufgaben, die in keinem unmittelbaren Zusammenhang zu der Leistungserbringung gegenüber einem Versicherten stehen, besteht keine Leistungspflicht der Krankenkassen und sind somit nicht zu vergüten.“ Die BAG hält diese einschränkende Maßgabe, die sie seinerzeit auch schon beim Kabinettsentwurf zum GVSG ebenso wie die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) und zahlreiche Psychotherapeutenverbände deutlich kritisiert hat, für inakzeptabel und nicht dazu geeignet, tragfähige Strukturen für eine zukünftige Qualifizierung von Psychotherapeut*innen sicherstellen zu können: Psychotherapeutische Leistungserbringung von Weiterbildungsteilnehmer*innen ist nicht denkbar ohne Supervision, Selbsterfahrung und Theorie, sowie den materiellen und personellen Ressourcen einer Weiterbildungsstätte. Weiterbildungsteilnehmer*innen brauchen Supervision, um ihre Behandlungsfertigkeiten zu entwickeln; sie brauchen theoretische Kenntnisse, um konzeptuell vorgehen zu können; sie brauchen Selbsterfahrung um sich und ihre Patient*innen vor unreflektiertem eigenen Handeln zu schützen; ihre Angestelltenarbeitsplätze müssen organisiert und verwaltet werden; und schließlich sind auch entsprechende Räumlichkeiten vorzuhalten – ohne diese Voraussetzungen ist keine Weiterbildung möglich, also auch keine Leistungserbringung im Rahmen der Weiterbildung. An Weiterbildungsambulanzen werden psychotherapeutische Leistungen durch Psychotherapeut*innen in Weiterbildung erbracht, die diese nur erbringen können, wenn sie im Rahmen ihres Angestelltenverhältnisses eine Weiterbildung gemäß einer gültigen Weiterbildungsordnung absolvieren. Eine Leistungserbringung durch Weiterbildungsambulanzen ist ohne die Sicherstellung einer solchen Weiterbildung ausgeschlossen.
Für diese Voraussetzungen sieht die Musterweiterbildungsordnung (MWBO) bzw. sehen die Weiterbildungsordnungen (WBO) der Landespsychotherapeutenkammern Mindestanforderungen vor, die sich im Interesse des Patientenwohls am Fachpsychotherapeutenstandard orientieren. Der Gesichtspunkt der „wirtschaftlichen Betriebsführung“ in § 120 SGB V erfordert, dass alle Kosten, die in Erfüllung der WBO entstehen, auch in Ansatz gebracht werden müssen.
Die Begründung zum Änderungsantrag macht deutlich, dass der Gesetzgeber die Leistungen, die er von der Vergütung ausgeschlossen haben möchte, offensichtlich nicht für fachlich überflüssig hält. Er verweist vielmehr für die Finanzierung der durch sie entstehenden Kosten auf eine Zuständigkeit der Länder: „Da in den Weiterbildungsambulanzen die Leistungen durch Weiterbildungsteilnehmer erbracht werden, die im Rahmen ihrer Weiterbildung durch die jeweiligen Weiterbildungsordnungen der Länder neben der Behandlung von Patientinnen und Patienten weitere Lerninhalte auferlegt bekommen haben, die nicht in die Zuständigkeit des Bundes fallen, sind klare Abgrenzungen für die zu vergütenden Leistungen erforderlich.“
Dieser pauschale Verweis auf eine angenommene Zuständigkeit der Länder ist aus Sicht der BAG nicht statthaft. Zwar wird die Weiterbildung von Psychotherapeut*innen auf Landesebene gemäß der WBO des jeweiligen Landes geregelt. Dies geschieht jedoch nach bundeseinheitlichen Grundprinzipien, um die psychotherapeutische Versorgung der Bevölkerung auf Fachpsychotherapeutenstandard sicherzustellen. Dies war schon immer ein zentrales Interesse des Bundes, ohne das die Ausbildungsreform gar nicht erst in Gang gekommen wäre.
Fazit
- Die im Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen vorgeschlagenen Regelungen stelleneinen wichtigen ersten Schritt für die Finanzierung der psychotherapeutischen Weiterbildung an Weiterbildungsambulanzen dar, indem sie die Weiterbildungsambulanzen in § 120 SGB V verankern.
- Die zugleich vorgenommene Einschränkung, dass bei der Vergütung nur die Leistungen in Ansatz zu bringen seien, die im „unmittelbaren Zusammenhang zu der Leistungserbringung gegenüber einem Versicherten stehen“, ist inakzeptabel, da mit einer „wirtschaftlichen Betriebsführung“ unvereinbar. Dies verunmöglicht Weiterbildung und führt absehbar zu Versorgungsengpässen.
- Daher fordert die BAG, im zweiten Teil von Änderungsantrag 10 zu Artikel 3 Nummer 22a (§ 120 SGB V) den letzten Satz ersatzlos zu streichen: „Für die Beurteilung einer wirtschaftlichen Betriebsführung der Weiterbildungsambulanzen sind nur die Leistungen berücksichtigungsfähig, für die der Zulassungsausschuss eine Ermächtigung erteilt hat und die gegenüber Versicherten erbracht werden."
- Unabhängig davon bedarf es weiterer Regelungen für die Finanzierung der anderen Weiterbildungsbereiche (ambulant in Praxen/MVZ, stationär, institutionell).
Diese Positionierung der BAG befindet sich im Einklang mit der BPtK (siehe Stellungnahme in der 9. Sitzung des Ausschusses für Gesundheit des Bundestages) und dem Gesprächskreis II der Psychotherapeutenverbände.