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Phantomschmerzen in einer digitalen Welt – Jahrestagung der Psychoanalytikerinnen und -analytiker

September 2024 - Pressemitteilung

Einsamkeit trotz 10.000 Followern? Inwiefern entstehen seelische Schmerzen durch die Digitalisierung? Was bedeutet das Erleben von Verletzlichkeit im digitalen Zeitalter? Körperliche und seelische Schmerzen, akute wie chronische Schmerzen sind das Thema der 75. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Psychoanalyse, Psychotherapie, Psychosomatik und Tiefenpsychologie (DGPT) e.V., die morgen in Lindau beginnt und noch bis Samstag andauert.


In einer Gesellschaft der Selbstoptimierung haben Schmerzen keinen Platz. Sie sollten möglichst schnell wieder verschwinden, um weiter funktionieren zu können. „Die Leidensbereitschaft nimmt ab, Schmerzen werden möglichst abgeschaltet und verdrängt – oft durch die Flucht in eine virtuelleWelt“, konstatiert der Psychoanalytiker Dr. Johannes Döser aus Essen. Doch daraus könnten „Phantomschmerzen“ entstehen. Zur Bedeutung des Schmerzes im Zeitalter von SocialMedia und künstlicher Intelligenz hält Döser auf der 75. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Psychoanalyse, Psychotherapie, Psychosomatik und Tiefenpsychologie (DGPT) e.V. einen Vortrag. Die Jubiläums-Tagung findet vom19. bis 22. September 2024 in Lindau am Bodensee statt und widmet sich ganz dem Thema Schmerz. Elektronische Medien können bei der Bewältigung der schmerzlichen Realität helfen. Doch es besteht die Gefahr, dass die digitale Welt die analoge ersetzt und dabei Lebendigkeit und sinnliches Erleben verloren gehen. So der Ausgangspunkt des Psychoanalytikers. „Wir beschränken uns vor dem Bildschirm auf die ‚Fernsinne‘, auf das Visuelle und Akustische. Die ‚Nahsinne‘ dagegen, die mit der körperlichen Präsenz verbunden sind, fallen aus“, sagt Döser. Es könne sich dadurch ein Gefühl großer Verlassenheit einstellen – trotz zigtausenden von Followern –, weil zwischenmenschliche Zuwendung und analoge Beziehungen entfallen. Döser bezeichnet diesen Schmerz als untergründigen „Phantomschmerz“, der durch den Verlust von Sinnlichkeit aufkommen kann. Der Facharzt für psychosomatische Medizin und Psychotherapie zieht damit eine Parallele zu Amputationen: Viele Betroffene empfinden oft Schmerzen in dem nicht mehr vorhandenen Arm, Bein, Fuß oder Finger. „Weil das Gehirn keine sinnlichen Signale aus dem fehlenden Körperteil mehr erhält, wandeln sich die entsprechenden Hirnregionen in Schmerzzonen um“, erklärt Döser.

Auch durch das „Abreißen“ von sinnlichen Erfahrungen in den virtuellen Cybersphären könne ein seelischer Phantomschmerz entstehen. Ein wirksames Schmerzmittel sei die Psychotherapie, und zwar im zweifachen Sinne. „Durch einen vertrauensvollen ersten Kontakt spüren die Betroffenen sofort eine Erleichterung. Und wenn seelische Schmerzen und Traumata durchgearbeitet werden, stellt sich mit dem Ich-Wachstum eine langfristig schmerzlinderndeWirkung ein“, berichtet der Psychoanalytiker. Eine weitere Aufgabe der Psychotherapie ist es, einen körperlichen Schmerz in einen seelischen zu verwandeln. Denn
körperliche Symptome sind oftmals die einzige Möglichkeit, unbewusste psychische Probleme auszudrücken oder sich noch lebendig zu fühlen. Auch darum wird es auf der Jahrestagung der DGPT gehen.

Medienvertreter:innen: Journalist:innen können gerne nach vorheriger Anmeldung kostenlos teilnehmen.
Anmeldung und weitere Informationen: Mandy Zenkner, Tel. 030 887163930, mandy.zenkner@dgpt.de
Während des Kongresses ist die DGPT erreichbar unter Tel. 030 887163950