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Offener Brief zur DGPs Petition Weiterbildung Psychotherapie

April 2021

Die Verbände DPtV, DGVT, VAKJP, bvvp und DGPT haben gemeinsam einen Offenen Brief zur DGPs Petition Weiterbildung Psychotherapie verfasst. 


An 

  • die Deutsche Gesellschaft für Psychologie (DGPs)
  • die Fachgruppe Fakultätentag der DGPs
  • den Verbund universitärer Ausbildungsgänge für Psychotherapie (unith)
  • sowie an Prof. Dr. Winfried Rief und Prof. Dr. Rudolf Stark


Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der Deutschen Gesellschaft für Psychologie (DGPs), der Fachgruppe Fakultätentag der DGPs und der unith,
sehr geehrter Herr Prof. Rief, sehr geehrter Herr Prof. Stark,

die unterzeichnenden Verbände wissen zu schätzen, dass Sie Ihre Positionen dezidiert und klar vertreten. Die Position hinsichtlich der Dauer der Weiterbildung für künftige Psychotherapeut*innen unterscheidet sich von der unsrigen, das ist in den Beratungen zur Vorbereitung einer MWBO in den Gremien deutlich geworden. Während Sie der Auffassung sind, dass vier Jahre genug seien, aber klarstellen, dass Ihnen drei Jahre lieber wären, gehen wir davon aus, dass mindestens fünf Jahre notwendig sind, um den künftigen Psychotherapeut*innen die notwendigen theoretischen und klinisch-praktischen Kompetenzen für ihre vielfältigen beruflichen Einsatzfelder zu vermitteln. 

Kurz vor dem 38. Deutschen Psychotherapeutentag (DPT), der am 23./24.04.21 stattfinden wird, gehen die vorliegenden Entwürfe zur Musterweiterbildungsordnung (MWBO) der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) von mindestens fünf Jahren Weiterbildungszeit aus. Nun unternehmen Sie mit einer öffentlichen Petition und einer entsprechenden Begleitkampagne einen großangelegten Versuch, die Mehrheit der Delegierten doch noch von Ihrer Position zu überzeugen. 

Wir bedauern, dass Sie mit diesem Schritt die inhaltliche Diskussion nicht mehr innerhalb der Gremien der Profession führen und sehen uns veranlasst hierauf mit einem öffentlichen Brief zu reagieren. Wir sind irritiert und befremdet über die Art und Weise Ihres Vorgehens: Sie versuchen nun die Studierenden für Ihre Interessen einzunehmen und fordern sie zur Mitzeichnung der Petition auf. Diese Versuche der Vereinnahmung der Studierenden durch Hochschullehrer für eigene Interessen wiegt umso schwerer, als dass diese sich in einem Abhängigkeitsverhältnis von Ihnen als ihren akademisch Lehrenden und Prüfenden befinden. Unabhängig davon dürften vor allem die Studierenden jüngerer Semester das Zeiterfordernis einer Qualifizierung zum Fachpsychotherapeuten/zur Fachpsychotherapeutin kaum ermessen können. So wurden Studierende des ersten Semesters in Marburg und Gießen aufgefordert, die Petition zu zeichnen. Einige der Studierenden haben bereits gegen Ihre Versuche der Vereinnahmung protestiert.

In Ihrem Aufruf zur Unterzeichnung der Petition versuchen Sie zudem, die Studierenden gegen „VertreterInnen von Psychotherapeutenkammern und mancher Verbände“ in Stellung zu bringen, denen Sie, Herr Prof. Rief, in einem Schreiben an Marburger Studierende vorwerfen, die Weiterbildung gegenüber der heutigen postgradualen Ausbildung „verlängern“ zu wollen. Indem sie pauschal vor „Abhängigkeiten von Kliniken und Weiterbildungsinstituten“ warnen, bauen Sie einen weiteren vermeintlichen Gegner für die Studierenden auf. Wir halten eine solche Polarisierung für sachlich unangemessen und schädlich für die Studierenden als auch für die Zusammenarbeit in den Gremien der Profession.  
 
Ihre Argumentation enthält die Behauptung, „VertreterInnen von Psychotherapeutenkammern und mancher Verbände“ würden eine „Überregulierung“ schaffen, die eine „substantielle Erschwernis“ der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, sowie einer wissenschaftlichen Qualifikation parallel zur Weiterbildung darstelle. Bekanntlich handelt es sich bei der künftigen Weiterbildung nicht um eine eins zu eins Überführung der heutigen postgradualen Ausbildung in eine Weiterbildung nach der Approbation. Künftige Psychotherapeut*innen haben weitaus mehr zu erlernen als Richtlinienpsychotherapie, da das Berufsbild eine erhebliche Erweiterung erfahren hat. So wird mit der künftigen mindestens fünfjährigen Weiterbildung keine „Verlängerung“ von Bestehendem vorgenommen, sondern ein neuer Beruf definiert, den es in dieser Form heute noch gar nicht gibt. Selbst in der heutigen postgradualen Vollzeit-Ausbildung wird die Gesamtdauer von drei Jahren in der Regel weit überschritten, was darauf zurückführen sein dürfte, dass ein Erfahrungslernen in der Berufspraxis Zeit benötigt. Dies gilt umso mehr für die (Langzeit-) Behandlung von Patient*innen mit komplexen Störungsbildern. 

Ihre Petition versucht ferner Angst vor einem Mangel an Weiterbildungsplätzen zu schüren. Auch das befremdet; außerdem wissen wir, dass das Interesse von Klinikleitungen an angestellten Weiterbildungsassistent*innen mit einer Verkürzung der Weiterbildungszeit im stationären Bereich eher sinkt als steigt. 
Sehr verwundert sind wir schließlich über die methodische Anlage Ihrer Petition: Jedem steht die Zeich-nung der Petition offen. Nur 28 % der Unterzeichner sehen sich als aktuell Betroffene an. Wie viele UnterstützerInnen der Petition studieren denn aktuell Psychologie und wären damit potentiell die Stimme der zukünftigen Vertreter der Profession?  
Wir fordern Sie, geehrte Kolleg*innen der DGPs, des Fakultätentages der DGPs und der unith auf, von weiteren argumentativ einseitigen Versuchen der Vereinnahmung der Studierenden abzusehen und zu einer differenzierten Form der Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Positionen innerhalb der Profession zurückzukehren.  


Mit freundlichen Grüßen


gez. Dipl.-Psych. Benedikt Waldherr             
(Vorsitzender bvvp)                                       
bvvp@bvvp.de

gez. Dipl.-Psych. Georg Schäfer
(Vorsitzender DGPT)
georg.schaefer@dgpt.de

gez. Dipl.-Psych. Oliver Kunz                         
(Geschäftsführender Vorstand DGVT)         
dgvt@dgvt.de

gez. Dipl.-Psych. Gebhard Hentschel
(Vorsitzender DPtV)
gebhardhentschel@dptv.de

gez. Dr. phil. Dipl.-Psych Helene Timmermann
(Vorsitzende VAKJP)
Timmermann@VAKJP.de

 

  • Berufsverband der Vertragspsychotherapeuten e.V. (bvvp)
  • Deutsche Gesellschaft für Psychoanalyse, Psychotherapie, Psychosomatik und Tiefenpsycholo-gie e.V. (DGPT)
  • Deutsche Gesellschaft für Verhaltenstherapie e.V. (DGVT)
  • Deutsche Psychotherapeutenvereinigung e.V. (DPtV)
  • Verband der analytischen Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten in Deutschland e.V. (VAKJP)