Netzwerk Freie Institute für Psychoanalyse und Psychotherapie (NFIP)

Die Freien Institute verstehen sich als eine Arbeitsgemeinschaft von jeweils eigenständigen Aus- und Weiterbildungsinstituten: Sie organisieren und strukturieren sowohl die psychoanalytische Ausbildung nach den Aus- und Weiterbildungsrichtlinien der DGPT als auch ihren Auftrag zur Pflege, Weiterentwicklung und Verbreitung der Psychoanalyse dezentral. Mit etwa der Hälfte der DGPT-Mitglieder stellen die derzeit 20 Freien Institute (von insgesamt 56 DGPT-Instituten) hinsichtlich der Zahl der ihnen angehörenden DGPT-Mitglieder die größte Gruppierung innerhalb der DGPT dar.

Analytische Haltung

Grundlegend für die Freien Institute ist das psychoanalytische Denken über verschiedene Schulen, Strömungen und psychoanalytische Denkansätze hinweg. In diesem Sinne stehen weniger Settingfragen im Vordergrund der psychoanalytischen Tätigkeit als vielmehr Fragen der psychoanalytischen Haltung auf dem Hintergrund der Versorgungsrealität. Dieses beinhaltet allerdings immer auch die Reflexion des Rahmens als bedeutender Parameter einer Behandlung. Dabei darf nicht übersehen werden, dass Psychoanalyse mehr ist als ein psychotherapeutisches Behandlungsverfahren. Neben der Erforschung unbewusster seelischer Prozesse (im Sinne der Metapsychologie) und ihrer Anwendung im Bereich anthropologisch-kultureller und gesellschaftspolitischer Prozesse ist sie nicht zuletzt auch einer selbstkritischen Reflexion verpflichtet: Als Beispiel sei auf die sich gegenwärtig verstärkende Tendenz einer Medizinalisierung und Rationierung des Gesundheitswesens in Deutschland und der daraus resultierenden Veränderungen der Psychoanalyse durch das vertragsärztliche System hingewiesen.

Zur Geschichte

Die Geschichte der Freien Institute beginnt nach dem Krieg und ist in besonderer Weise in der Geschichte der DGPT verwurzelt. Das 1946 in München von Scherke und Steger gegründete Institut für Psychologische Forschung und Psychotherapie, die heutige Akademie für Psychoanalyse und Psychotherapie in München /M stand mit dem von Schultz-Hencke und Kemper gegründeten Institut für Psychopathologie und Psychotherapie in Berlin in Konkurrenz um die Rechtsnachfolge des früheren Reichsinstituts (Deutsches Institut für psychologische Forschung und Psychotherapie, Leitung: M. H. Göring) und dessen finanzielle Mittel. Die beiden Institute in Berlin und München sowie das Stuttgarter Institut waren 1949, zusammen mit der einzigen damals existierenden Fachgesellschaft (DPG) sowie einzelnen PsychoanalytikerInnen und Gruppen in verschiedenen Städten der Bundesrepublik, an der Gründung der damaligen Deutschen Gesellschaft für Psychotherapie und Tiefenpsychologie beteiligt. Die DGPT verstand sich zu diesem Zeitpunkt vor allem als Interessengemeinschaft psychoanalytisch arbeitender KollegInnen und Basis für einen Neubeginn der Psychoanalyse in Deutschland nach der Vertreibung und Korrumpierung der Psychoanalyse im Dritten Reich. Neue Institute entstanden aus der DGPT heraus, so beispielsweise das Kölner Institut (IRP-PA). Aus unterschiedlichen (historischen, institutionellen und personellen) Gründen haben sich eine Reihe dieser neugegründeten Institute, einschließlich der bereits vor der Gründung der DGPT bestehenden Institute München/M und Stuttgart/S, nicht der DPG oder einer der sich später etablierenden Fachgesellschaften angeschlossen. Im Zuge der weiteren Entwicklung wurden diese dann als „nicht-fachgesellschaftsgebundene Institute„ bezeichnet, während sich weitere Fachgesellschaften (DPV, DGAP, DGIP) unter dem Dach der DGPT versammelten.

Nach dem Beitritt der neuen Bundesländer (1990) wurden die dort in Berlin/APB, Jena/IPP, Halle/MIP, Leipzig/SPP, Magdeburg/IPM (seit 2007 anerkanntes Ausbildungsinstitut der DPG) und Rostock/IPPMV gegründeten Institute von der DGPT anerkannt und gehören seither der Gruppe der Freien Institute in der DGPT an. Derzeit existieren 20 Freie Institute – von insgesamt 56 Instituten in der DGPT (Stand 2017).

Bei der 13. Arbeitstagung der Freien Institute (21.-23. März 2014 in Berlin) hat Andrea Huppke (APB Berlin) einen Vortrag zur Geschichte der Freien Institute – Ergebnisse einer Umfrage gehalten, den Sie hier herunterladen können:
Vortrag 22.03.14

Entwicklung gemeinsamer Strukturen

Intensive Bemühungen um die Zusammenarbeit der Freien Institute in der DGPT begannen zur Jahrtausendwende (1999): Die Sprecher der Freien Institute, Wolfgang Holitzner (Berlin/BIPP) und Erich Limmer (Würzburg/W) waren sich damals im Unklaren darüber, welche berufspolitischen Positionen sie für die Gruppe der Freien Institute im Erweiterten Vorstand der DGPT vertreten sollten. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten verschiedene Institute jeweils eigene Positionen vertreten, so aber kaum größeren berufspolitischen Einfluss gewinnen können. Die Sprecher beriefen daher eine Arbeitsgruppe der BeiratsvertreterInnen der Freien Institute mit dem Ziel ein, gemeinsame Positionen zu finden, abzusprechen und in die Entscheidungsgremien der DGPT einzubringen.

Diese erste Arbeitsgruppe der BeiratsvertreterInnen fand großen Anklang. Dadurch ermutigt planten die beiden Sprecher eine Arbeitstagung der Freien Institute, um einen intensiveren berufspolitischen und fachlichen Austausch zu ermöglichen. Im März des Jahres 2001 fand die 1. Tagung im Berliner Institut für Psychotherapie und Psychoanalyse (BIPP) statt. In der Folge der Diskussionen zu dieser Tagung formulierte Heribert Knott (Stuttgart/S) einen bis heute bedeutsamen Vorschlag: Die Gründung institutsübergreifender Supervisions- bzw. Intervisionsgruppen für LehranalytikerInnen der Freien Institute. Damit sollte ein Rahmen für die intensive Auseinandersetzung mit den in Lehranalysen auftretenden Problemen geschaffen werden, den es in den Fachgesellschaften schon länger gab. Um institutsinterne Vermischungen und Verwicklungen bei der Diskussion spezifischer Fragen der Lehranalyse und der Beurteilung der Arbeit von LehranalysandInnen zu vermeiden, kann nur jeweils ein Mitglied eines Freien Instituts an einer Gruppe teilnehmen. Der Vorschlag traf auf großes Interesse bei den LehranalytikerInnen der Freien Institute, sodass sich in der Folge eine Reihe von Intervisionsgruppen bildete, die teilweise bis heute arbeiten. Auf den jährlich stattfindenden Arbeitstagungen finden sich regelmäßig InteressentInnen zu Intervisionsgruppen zusammen – in der Zwischenzeit entstanden auch Intervisionsgruppen für PsychoanalytikerInnen ohne Lehranalytikerstatus. Eine weitere sich kontinuierlich treffende Arbeitsgruppe diskutiert Konzepte tiefenpsychologisch fundierter Behandlungen.

Auch berufspolitisch wurden verschiedene Projekte verfolgt: So erarbeitete eine 2005 einberufene Arbeitsgruppe Empfehlungen zur Qualifikation und zum Berufungsverfahren von LehranalytikerInnen und SupervisorInnen der Freien Institute in der DGPT. Auf der 9. Arbeitstagung der Freien Institute (Heidelberg 2010) wurde die Konferenz der Freien Institute gegründet. Sie stellt ein Forum für alle Mitglieder der Freien Institute dar, die an fachlichen, strukturellen und berufspolitischen Fragen interessiert sind.

Konferenz der Freien Institute in der DGPT

Die Konferenz der Freien Institute wurde im Herbst 2010 bei der 61. Jahrestagung der DGPT in Lindau ins Leben gerufen. Sie zeichnet sich dadurch aus, dass neben den Beiratsdelegierten der Freien Institute weitere Mitglieder dieser Institute an den Sitzungen teilnehmen können. Die Diskussion über berufspolitische und fachliche Themen soll so auf einer breiteren Basis erfolgen und auch den Diskurs in die jeweiligen Institute tragen.

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Zum Verhältnis von Struktur und Autonomie

Das Spannungsverhältnis zwischen dem autonomen Status der einzelnen Freien Institute einerseits und der Notwendigkeit der Entwicklung verbindlicher Strukturen und institutsübergreifender fachlicher sowie berufspolitischer Positionen andererseits bestimmt die Zusammenarbeit der Freien Institute seit nunmehr vielen Jahren. Das zugrundeliegende Motto lautet: So viel Autonomie und Individualität wie möglich, so viel Struktur und Gemeinsamkeit wie nötig. Die besondere Form der Zusammenarbeit der Freien Institute mit einer lockeren organisatorischen Struktur erfordert eine besondere Dialogkultur zwischen den Instituten. Zugleich gehen von ihnen Anregungen und Initiativen für das Dialogische im psychoanalytischen Diskurs und in der berufspolitischen Auseinandersetzung aus. Bei allen unterschiedlichen theoretischen und klinischen Sichtweisen gibt es unter den Freien Instituten in der DGPT ein großes Bemühen um Freiheit und Offenheit in der fachlichen Auseinandersetzung, so etwa mit Fragen der psychoanalytischen Technik oder der psychoanalytischen Haltung. Andere Denkansätze sind wertgeschätzt, jedoch ohne dass mit der offenen und flexiblen Herangehensweise psychoanalytische Grundhaltungen infrage gestellt würden. Durch die dezentralen und an den Aus- und Weiterbildungsrichtlinien der DGPT orientierten Strukturen der Ausbildungsinstitute kann in besonderer Weise auf die Methodenvielfalt der Psychoanalyse und auf die individuellen, persönlichkeitsspezifischen Fähigkeiten und Kompetenzen der Aus- und WeiterbildungskandidatInnen eingegangen werden.

Fortbildung für Mitglieder und Aus- und Weiterbildungsangebote der Freien Institute

Ausdruck der Bemühungen um Zusammenarbeit und Dialog sind die seit 2001 jährlich stattfindenden Arbeitstagungen der Freien Institute zu aktuellen Fragen der Psychoanalyse (z. B. Behandlungstechnik, Kulturtheorie, Berufspolitik). Seit 2009 findet daneben jährlich ein Fallseminar in wechselnden Instituten statt, das sich zunehmender Beliebtheit erfreut. Dort diskutieren Mitglieder der Freien Institute anhand einer Fallvorstellung über ihre analytische Arbeit. Bereits seit vielen Jahren bestehen auch überregionale Intervisionsgruppen für LehranalytikerInnen - zur Sicherstellung der hier notwendigen Vertraulichkeit gegenüber den LehranalysandInnen - aus jeweils verschiedenen Freien Instituten.

Zur Übersicht der Fallseminare & Arbeitstagungen der Freien Institute.
Zur Übersicht der überregionalen Intervisionsgruppen (LehranalytikerInnen)

Bedeutsam für viele Freie Institute ist die Zusammenarbeit mit den Kinder- und JugendlichenpsychoanalytikerInnen und deren berufspolitischer Vertretung und Fachgesellschaft, der Vereinigung der Analytischen Kinder- und JugendlichenpsychotherapeutInnen (VAKJP). Die überwiegende Mehrzahl der Kinder- und JugendlichenpsychoanalytikerInnen wurde und wird in den Freien Instituten ausgebildet – mittlerweile zunehmend in "common-trunk-Modellen", d. h. in teilweise gemeinsamer Ausbildung von Erwachsenen- und Kinder- und JugendlichenanalytikerInnen in Seminaren und kasuistisch-technischen Seminaren.

Die in den Instituten stattfindenden Aus- und Weiterbildungsangebote (insbesondere analytische Psychotherapie und tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie für Erwachsene sowie Kinder und Jugendliche, Gruppenanalyse, Weiterbildungen für ÄrztInnen im Rahmen des Zusatztitels) beinhalten den Erwerb des jeweils spezifisch notwendigen theoretischen Wissen und der entsprechenden behandlungstechnischen Fertigkeiten. Dabei stehen die verschiedenen psychoanalytischen Verfahren qualitativ gleichwertig und in fruchtbarem Austausch nebeneinander.